Mohamed VI ist seit zwanzig Jahren König von Marokko.

Kolumne von Asis Aynan
Ich habe die Symbolik damals nicht erkannt. Vor zwanzig Jahren bin ich zusammen mit meinen besten Freunden an der Oudegracht in Haarlem entlang des Regine Coffeeshops gegangen. Normalerweise konnte man Reggae-Hits von der Straße hören, aber an diesem Tag sagte eine Radiostimme, dass Hassan II gestorben sei. Wenige Stunden später bestieg sein Sohn Mohamed VI. den Thron von Marokko. Der König ist tot, es lebe der König.
Jeder hoffte, dass Hassans Führungsjahre vorbei waren und dass Mohamed’s Jahre Wohlstands bringen würde. Mohamed gab den Frauen etwas mehr verfassungsmäßige Rechte und ein Ausschuss untersuchte die Verbrechen von Hassan – die Versöhnungskommission. In der Praxis stellte sich heraus, dass sich die Männer nicht um die Verfassung kümmerten und die Hassan-Scharfrichter nicht verfolgt wurden.
Alle hofften, dass Mohammed der Presse mehr Platz einräumen würde. Leider, wurden stattdessen Journalisten wie Ali Lamrabet verhaftet. Lamrabet wurde nach seiner Inhaftierung sogar für staatenlos erklärt. Für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften wurde die Arbeit unmöglich und sie schlossen ihre Redaktionsräume.
Im Jahr 2004 hielt der marokkanische Kulturminister auf Einladung der Universität Amsterdam einen Vortrag über Demokratie. Ich fragte ihn, wie diese Demokratie mit der Inhaftierung von Journalisten vereinbar sein könnte. Er antwortete, dass Marokko ein Beispiel für Demokratie mit Pressegesetzen sei. Pressegesetze? Die Professoren und noch höhere Beamte blieben sitzen und klatschten nach der Rede des Ministers Beifall.
Jeder hoffte, dass Mohamed sich für das Sahara-Problem einsetzen würde. Stattdessen zwang er, die Grenze zwischen Marokko und der Westsahara aus Zahlreichen Karte zu entfernen.
Jeder nannte Mohamed König der Armen, obwohl seiner Familie fast jedes relevante Unternehmen in Marokko gehört,und Mohamed besitzt 600 Autos, Millionenschwere Uhren und Milliarden von Dollar.
Jeder hoffte, dass Mohamed durch seine Urlaube im Rif auch das Leiden im Rif politisch anerkennen würde.
Im Oktober 2016 wurde der Rif-Fischhändler Mohsine Fikri getötet, weil Polizisten seinen Fisch in einen Müllwagen warfen und jemand die Müllpresse einschaltete.
Fikri starb unter schrecklichen Umständen.
Mohamed schwieg wie ein Grab.
Hunderte von Protesten folgten und Hunderte von Demonstranten wurden inhaftiert.
Ich höre oft, dass Mohamed viel für Marokko getan hätte.
Wenn ich frage, was genau, kommen sie immer und sagen, dass er Straßen bauen ließ.
Eine Asphaltstraße braucht zwar viel Material, hat aber mit Fortschritt nichts zu tun, und schon gar nicht wenn man bedenkt, dass der Diktator, die Straßen selbst braucht, um seine Hunderte von Autos zur Schau stellen zu können.
Vor zwanzig Jahren ging ich an Regine‘s Coffeeshop vorbei, und heute bin ich mir der Symbolik der damaligen Nachricht nun mehr als bewusst.